Donnerstag, 12. Juli 1990

Südtirol 1990 - Finailspitze, 3.516 m - Erster Tag der Doppeltour im Ötztaler Hauptkamms

Blick vom Similau Finailspitze, Weißkugel, Niederjoch
Auch in diesem Sommer möchten wir eine Gipfeltour mit Bergführer Robert gehen. Als Ziel haben wir uns die Weiß- kugel (ital. Palla Bianca) vorgenommen, zweithöchster Berg der Ötztaler Alpen nach der Wildspitze. Auf den Gipfel führen aus verschiedenen Richtungen kombinierte Fels-Gletscher-Touren, die zu den anspruchsvolleren Touren in den Ostalpen zählen. Höhe und zentrale Lage des Gipfels bieten bei gutem Wetter ein grandioses Panorama über die Ostalpen. Da die Gipfelbesteigung eine Übernachtung erforderlich macht, schlägt Robert den Aufstieg über die Bella Vista via Finailspitze vor. Der Vorschlag gefällt uns und wird umgesetzt.





Aufgrund einer vorausgegangenen Tourenwoche auf Viertausender der Walliser Alpen sind wir gut angepasst. Zwei Tage vor unserer Bergführer-Tour gehen wir auf die Tschengelser Hochwand, einer der höchsten nicht vergletscherten Dreitausender in Südtirol, der mit der Höhe von 3.375 m eine atemberaubende Aussichtskanzel über dem Vinschgau bietet. Auf dem Gipfel spricht uns eine Familie aus Bergisch Gladbach an, die mit ihrem Adoptivsohn während des Urlaubs in Taufers im Münstertal wohnt. Sie haben uns beobachtet und fragen jetzt, ob wir evtl. noch anspruchsvollere Touren gehen würden und in diesem Fall bereit seien, ihren Sohn mitzunehmen, damit sein Herzenswunsch erfüllt würde. Wir berichten, dass eine geführte Tour mit dem Bergführer unseres Vertrauens vereinbart ist. Aufgrund dieser zufälligen Begegnung vertrauen sie uns für die geplante Tour ihren Sohn an. Für zwei Tage haben wir ein äußerst pflegeleichtes Findelkind.

Treffpunkt ist die Talstation der Grawand-Seilbahn in Kurzras, Schnalstal, mit der wir auf die mehr als 3.200 m hohe Grawand fahren. Robert wird begleitet von Anni, eine Frau in den Fünfziger Jahren, die bis vergangenes Jahr mit ihrem Mann eine Metzgerei in Meran betrieben hat. Nach der Aufgabe des Geschäftes hat sie Klettern und Hochtouren als Hobby erkoren und mit Robert als Führer einige anspruchsvolle Klettertouren in der Sella gemeistert. 
Der Hochjochferner wird als Sommerskigebiet genutzt. Wir gehen an den Pisten vorbei ein Stück abwärts und queren dann nach Osten zum Finailjoch.





Unsere weglose Route durch kombiniertes Gelände ist in keiner Karte verzeichnet. Mit der Sicherheit eines einheimischen Bergführers erreichen wir ohne größere Anstrengung nahezu Direttissima den Gipfel der Finailspitze. Anni und unser Findelkind halten locker mit. In dieser harmonischen Gruppe macht die Tour Freude.
Auf dem Gipfel legen wir eine Pause ein. Seit unserem Aufbruch am Mittag zieht es sich immer mehr zu, so dass wir bald den Rückweg zur Hütte antreten.

An der Schöne Aussicht Hütte (Rif. Bella Vista), 2.842 m
Auf dem Felsrücken im Hochjochferner treffen wir auf eine große Gruppe mit mindestens 30 Teilnehmern und mehreren Bergführern. Die Gruppe befindet sich auf einer vom DAV Summit organisierten Alpenüberquerung von Berchtesgaden nach Meran und hat ebenfalls unsere Hütte als Tagesziel. Dort dürfte es ziemlich kuschelig werden.
Wir lassen die Gruppe bald hinter uns und queren weiter den Hochjochferner, von dem wir zur Schöne Aussicht Hütte aufsteigen. Vorher wartet noch der Gletschersumpf auf uns, den wir nicht bedacht haben. Jetzt steht das Wasser in den Schuhen. Zum Glück ist es nicht mehr weit.


Von Rif. Bella Vista auf Hochjochferner, Finailspitze, Similaun
Wie bereits vermutet, ist die Hütte bis unters Dach voll. Selbst im Treppenhaus lagern einige Wanderer in ihren Schlafsäcken. Wir genießen unsere Ruhe in einem Zweitbettzimmer, aber sobald wir das Zimmer verlassen, waten wir durch eine Menge ruhender Wanderer. Es tut uns leid zu stören, die Störung ist aber nicht vermeidbar.
Das Barometer fällt und die Wetterprognosen sind für den nächsten Tag eher ungünstig. Robert verbreitet jedoch Optimismus. Roberts und unsere Schalenschuhe werden bis morgen wieder trocken sein. Die beiden anderen Kameraden müssen morgen in ihre nassen Schuhe steigen.
Link: Bericht der Gipfeltour zur Weißkugel

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